Lassen sich Politik und Verwaltung die Steuerung der Windkraft aus der Hand nehmen?

„Wir werden unsere Heimat teilweise nicht mehr wiederkennen“

Mit allergrößter Sorge setzt sich die Bezirkskonferenz Naturschutz OWL mit den anstehenden massiven Planungen von Windkraftanlagen an willkürlichen Standorten im Regierungsbezirk Detmold auseinander und warnt vor einem Wildwuchs von Windkraftanlagen außerhalb der im Regionalplan vorgesehenen Windkraftfläche von 14.000 Hektar.

„Der Regionalplan ist das Planungsinstrument der regionalen Steuerung für OWL, in den sich die nachfolgenden Flächennutzungspläne der Kommunen, sowie die Landschaftspläne der Kreise und kreisfreien Städte einzufügen haben. Darin sind alle Belange der Freiraumplanung abzuwägen, darunter auch der Schutz und die Nutzung von Naturgütern zu regeln.“

Die Naturschutzverbände in OWL unterstützen grundsätzlich den Ausbau der Windenergie und haben eine geordnete Windenergieausbauplanung konstruktiv begleitet, indem fehlende Daten zur Gefährdungsbeurteilung von durch Windkraft gefährdeten Vogelarten in den Planungsprozess eingespeist wurden, die das Landesamt für Umweltschutz nicht liefern konnte. „Leider bleiben diese Bemühungen Makulatur, wenn diese Steuerungskriterien vom „Lockruf des Goldes“ auf der kommunalen Schiene und sowie besonders durch Anträge nach Bundesimmissionsschutzgesetz (BImschG) von Investoren unterlaufen werden. Das Milliardengeschäft Windkraft läuft aus dem Ruder!“ meint dazu Karsten Otte, Sprecher der Bezirkskonferenz Naturschutz OWL.

Antragsflut außerhalb der Windenergiebereiche
Nun ist die Windkraftindustrie dabei, die Planungsabsicht des Regionalrats vollkommen zu konterkarieren. Im Vorfeld der Genehmigung des Regionalplans sollen nach dem Willen der Investoren noch möglichst viele WEA im Außenbereich als „privilegierte Anlagen“ im Widerspruch zu den Kriterien des Regionalplanes an willkürlichen Standorten beantragt und genehmigt werden. Ohne dabei Rücksicht auf bedrohte Tierarten, geschützte Biotope und gesellschaftliche Belange zu nehmen. Vorschub dazu hat ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster geleistet, bei dem es allerdings nur um den offenbar fehlerhaft begründeten Aufschub eines einzigen Windrades ging.

Es scheint sich jedoch auf die Genehmigungspraxis im ganzen Land NRW auszuwirken, so dass die Genehmigungsbehörden bei den Kreisen diesen Aufschub bis zur Gültigkeit der Regelungen im Regionalplan nicht mehr anwenden wollen – auch wenn gute Gründe dafür vorliegen. Im Ergebnis führt dies dazu, dass zusätzlich zu den im Sinne der gesetzlichen Ausbauziele bemessenen Vorrangflächen für Windkraft ungesteuert zusätzliche Anlagen unter Missachtung der Regionalplankriterien genehmigt würden. Betroffen davon wären auch viele Bereiche zum Schutz der Natur (BSN), die laut Regionalplanung nicht durch Windenergie beansprucht werden sollen.

Allein im Kreis Höxter summiert sich die Zahl der beantragten und genehmigten Windenergieanlagen (WEA) auf 586. Zusätzlich dazu gehen die Behörden davon aus, dass der Bau von weiteren 200 bis 250 Anlagen im Kreis Höxter geplant ist.  Dazu der Sprecher der Bezirkskonferenz Naturschutz OWL, Karsten Otte: „Bei allem notwendigen Ausbau der Erneuerbaren ist diese aktuelle Entwicklung eine Katastrophe für Mensch und Natur in OWL! Die Gesellschaft verliert weitestgehend die Steuerungsmöglichkeit, wo Windkraftanlagen gebaut werden und wo nicht. Zudem werden die Menschen insbesondere im Kreis Höxter ihre Heimat in naher Zukunft nicht mehr wiedererkennen werden.“
 
Die Naturschutzverbände in OWL sind bestürzt darüber, dass das Gros dieser vielen WEA-Anträge in Bereichen erfolgt, die aus Gründen des Natur- und Artenschutzes und den Kriterien des gerade in Aufstellung befindlichen Regionalplans für OWL für Windenergieplanungen tabu sein sollten.

Betroffen sind unmittelbar an Naturschutz- und Vogelschutzgebiete angrenzende Flächen, die von vielen kollisionsgefährdeten Vogelarten zur Nahrungssuche oder auch als Rastplatz aufgesucht werden, sowie hoch schutzwürdige Wald- und Biotopverbundflächen. Wie z.B.

  • Ein laufendes Verfahren für 7 Anlagen auf dem Kamm des Teutoburger Waldes im Bereich „Gauseköte“ bei Detmold, unter „Verzwergung“ des Hermannsdenkmals
  • die Planungen von 11 Anlagen im Wald im Bereich der Egge und weitere Anlagen womöglich im Horner Stadtwald im Kreis Lippe.
  • Planungen in Brakel/Bad Driburg direkt zwischen einem Schwarzstorchhorst und den Nahrungsgebieten des bedrohten Vogels
  • Im Kreis Minden-Lübbecke in Oppendorf sind 16 sog. XXL- Anlagen mit 280m Höhe am Oppenweher Fledder, einem Rast- und Überwinterungsgebiet von tausenden Kranichen und Wildgänsen geplant und an den Bastauwiesen weitere. Diese Flächen wurden im Regionalplan aus naturschutzfachlicher Sicht als für Windkraftanlagen ungeeignet beurteilt.


Dazu erklärt Brigitte Scheuer, stellvertretende Sprecherin der Bezirkskonferenz Naturschutz OWL: „Zu der extremen Belastung der Kreise Höxter und Paderborn, in denen 88,7 % der Gesamtkulisse der Windenergiebereiche im Regionalplan ausgewiesen werden, kommen die vielen im Eilverfahren beantragten privilegierten Verfahren nach BImschG. Das Ergebnis ist weit entfernt von einem natur- und landschaftsverträglichen Ausbau der Windenergie, wie im Koalitionsvertrag der Ampelregierung vereinbart.“

Politik und Verwaltung müssen die Steuerung in der Hand behalten
Für die Windkraft-Projektierer ist das Rennen um die besten Plätze im Wald und in der Landschaft voll entbrannt. Mit Gültigkeit der jetzt beratenen Regionalplanergänzung würden diese Vorhaben ihre Privilegierung verlieren. Deshalb versuchen die Investoren mit Anträgen auf Vorbescheide vor Verabschiedung des „Teilplan Wind“ zum Regionalplan diese Planungen zu retten.

„Es geht hier um sehr viel Geld, aber auch um unsere Lebensgrundlagen. Hier sind vor allem Großunternehmen mit verzweigtem Unternehmensgeflecht tätig, die mit allen Anlagen auch dann Geld verdienen, wenn der Strom nicht eingespeist werden kann, z.B.  wegen mangelnder Kapazität des Stromnetzes.“ stellt dazu Bernd Milde vom NABU Lippe fest. „Die Infrastruktur ist doch jetzt schon überlastet. Speicher sind zwar geplant, aber bislang nicht vorhanden. So bezahlen die Stromkunden die Entschädigungen für den nicht zu nutzenden Strom an diese Unternehmen. Ein lukratives Geschäft, ebenso wie das zur Verfügung stellen der Flächen für die Betreiberfirmen, die pro Windrad dem Eigentümer bis 100.000 Euro Pacht im Jahr einbringen.“

Die Forderungen des Naturschutzes bringt Karsten Otte auf den Punkt: „Damit der Windkraftausbau bedarfsgerecht und naturverträglich gesteuert wird, muss die Bezirksregierung jetzt handeln. Den Kreisen muss empfohlen werden, Anträge für Windparks, die dem Plankonzept des Regionalplans widersprechen, bis zur Beschlussfassung auch weiterhin zurückzustellen. Landes- und Bundesregierung fordern wir auf, einen Wildwuchs beim Windkraftausbau nicht noch durch weitergehende Privilegien in der BauGB-Novelle zu fördern.“


 Lesen Sie auch die Stellungnahme zur 1. Änderung Regionalplan OWL (Wind/Erneuerbare Energie)

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