Protest gegen Regionalratsentwurf zum OWL-Regionalplan erfolgreich.

Die Demonstration mit den entsprechenden schriftlichen Ausarbeitungen und die unten zu lesende Rede mit der Stellungnahme der OWL-Naturschutzverbände von Herrn Ullrich Richter führten zu einer 1 1/2-stündigen Diskussion im Regionalrat.

Es wird nunmehr am 31. Januar 2023 ein Gespräch mit Vertretern des Regionalrats, des zuständigen Dezernats bei der Bezirksregierung Detmold sowie den Naturschutzverbänden geben.

Die Naturschutzverbände sehen dies als Erfolg.
 

Regionalrat – Sitzung am 12.12.2022

Sehr geehrte Frau Regierungspräsidentin,
sehr geehrter Herr Vorsitzender,
sehr geehrte Damen und Herren.

Stellungnahme der Naturschutzverbände zum Regionalplan
Der Regionalplan ist ein Gesamtplan für die Entwicklung der Region OWL bis mindestens 2040. Er muss ein zukunftsorientierter Pakt für die Stärkung der Biodiversität und ein Pakt für das Klima sein. Klimaneutralität soll bis 2045/50 erreicht werden.

Politik
Die Politik weist zu Recht darauf hin, dass der Regionalplan-Entwurf in einem demokratischen Verfahrensablauf aufgestellt wird. Dem widersprechen die Naturschutzverbände nicht. Der Plan ist durch die Beschlusslage des Regionalrates demokratisch legitimiert.
Er entspricht sicherlich weitestgehend dem rechtlichen Rahmen des Landesplanungsgesetzes, wobei seitens der Naturschutzverbände hier Bedenken erhoben werden, ob die abwägungsrelevanten Belange aus den Stellungnahmen der Verbände hinreichend gewürdigt wurden und ob er seinen Aufgaben als „Landschafts-Rahmenplan“ und als „Forstlicher Rahmenplan“ gerecht wird.
Die Kritik der Politik, dass die Naturschutzverbände nicht an den Erörterungsterminen teilgenommen haben habe ich bereits in der Kommissionssitzung zurückgewiesen.
Der Aufforderung der CDU, SPD, FDP sich in den Prozess konstruktiv einzubringen sind die Naturschutzverbände bis zur Vorlage der Synopse mit hohen ehrenamtlichen Aufwand nachgekommen.
Des Weiteren hat es eine Anfrage nach einem Gesprächstermin bei der Bezirksregierung gegeben, der leider erst am 31.Januar 2023 erst stattfinden soll.

Warum protestieren nun die Naturschutzverbände?
Die Naturschutzverbände haben, in unzähligen ehrenamtlichen Arbeitsstunden – über mehrere 1000de –, zu den einzelnen Flächenausweisungen fundierte Stellungnahmen abgegeben. Ihre Anregungen und Bedenken zum Regionalplan-Entwurf beruhen auf ihrer Ortskenntnis, sowie ihren fundierten biologischen Kenntnissen. Die fachlich fundierten Änderungsvorschläge wurden zu über 80 % von der Bezirksregierung nicht berücksichtigt. Dies zumeist ohne jegliche hinreichende Begründung sondern nur mit dem lapidaren Hinweis: „Der Anregung wird nicht entsprochen“.
Warum reicht es nicht aus – so wie der Entscheidungskompass vorgibt! – die fundierten Anregungen der Verbände zur Ergänzung der BSN-Darstellung nur schematisch anhand der Kulisse der bestehenden Naturschutzgebiete, der Biotopverbundflächen der Stufe 1 des Fachbeitrags Naturschutz des LANUV sowie den Flächen der gesetzlich geschützten Biotope abzugleichen?
Der Fachbeitrag „Naturschutz“ kann nur so aktuell sein wie die landesweit verfügbaren Daten zu den schutzwürdigen Biotopen in NRW. Diese Biotopkataster-Daten in OWL resultieren überwiegend aus den Jahren 2003-2006 und teilweise aus den 1990er Jahren und nur vereinzelt aus dem Zeitraum von 2010-2022.
Die planerische Grundlage für  die BSN-Flächen beruht also zum Teil auf veralteten Daten, die den Zustand von Natur und Landschaft heute nur noch unzureichend beschreiben.
Auch der Verweis auf die Landschaftsplanung und die Berücksichtigung der dort ausgewiesenen Naturschutzgebiete ist ein Verweis auf veraltete Daten. Neuere Erkenntnisse der letzten Jahre sind an vielen Stellen nicht mit eingeflossen.
Die Landschaftsplanungen und die dort ausgewiesenen Naturschutzgebiete sind ebenfalls größtenteils veraltet.
So sind 38 % der Landschaftspläne in einem Zeitraum von 1980-1999 beziehungsweise 2000-2008 erstellt worden. Sie können den heutigen Zustand von Natur und Landschaft im Regelfall nur noch unzureichend beschreiben. Bei der langen Planungsdauer der Landschaftsplanung kann man hier getrost mehrere Jahre hinzurechnen.
Nur 23 % der Landschaftspläne im Plangebiet stammen aus einem Zeitraum von 2010-2022.
Die Mehrzahl der Plangrundlagen ist teilweise über 30 Jahre alt.
Umso wichtiger ist es, die fachlich fundierten Stellungnahmen der Naturschutzverbände, denen herausragende Ortskenntnis und zeitnahe Kartierungen von Flora und Fauna zu Grunde liegen mit in die Planungsabwägung einzubeziehen.

Der im Rahmen der Beteiligung abgegebenen Stellungnahmen kommt rechtlich die Funktion zu, weitere Informationen zur Sachverhaltsermittlung und -bewertung zu generieren.

Die in den erfolgten Stellungnahmen der Naturschutzverbände enthaltenen Angaben insbesondere zum Vorkommen von schutzwürdigen Biotopen und Arten hätten also genutzt werden müssen, um die offenkundig unvollständige und in Teilen veraltete Datengrundlage zu aktualisieren und den Planentwurf zu überprüfen.
Dieses kann nicht gelingen, wenn bereits vor der Erörterung und Prüfung der Stellungnahmen vom Träger des Verfahrens, dem Regionalrat, ein Großteil der Stellungnahmen durch die Vorgaben zur Abwägung für nicht beachtlich erklärt werden.

Der Hinweis in der letzten Kommissionssitzung, dass man die Stellungnahmen nicht berücksichtigen könne, weil sie nicht von der LANUV empfohlen werden zieht hier nicht!
Es ist eine vollständige Überarbeitung der Daten-Grundlagen  vor der Ausweisung von BSN Flächen zwingend geboten.
Die Bedenken und Anregungen der Naturschutzverbände basieren auf der Grundlage hoher fachlicher Expertisen der örtlichen Vertreterinnen und Vertreter der Naturschutzverbände, teilweise unter Hinzuziehung des Rates weitere Expertinnen und Experten unter anderem auch der „biologischen Stationen“.
Es handelt sich nicht um einen „Wandergesangsverein“, sondern um fachlich hoch spezialisierte Menschen die im Rahmen ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit und mit viel Zeitaufwand die Stellungnahmen erarbeitet haben.
Häufig waren sie zuvor als Biologen, Landespfleger, Gewässerkundler in verschiedensten öffentlichen Einrichtungen tätig und bringen insofern ein riesiges Potenzial an Fachwissen mit.
Dieses über 80 % zu ignorieren, nur teilweise begründet und dann häufig auch noch nicht mit der Örtlichkeit abgeglichen hat den berechtigten Zorn der Naturschutzverbände auf den Plan gerufen.
Hier wären in den Erörterungsterminen Einzelflächenbetrachtungen erforderlich gewesen, um im Gespräch, sowohl mit der Regionalplanungsbehörde als auch mit den anderen Beteiligten, hier insbesondere der LANUV, aber auch den Kreisen/Kommunen konsensuale Lösungen zu finden.
Dies kann man eben nicht im Rahmen einer schriftlichen Mitteilung über die Synopse, wo zumeist die Ablehnungsgründe noch nicht einmal einzelfallbezogen beschrieben sind.
Es ist also zwingend geboten, die Vollständigkeit des Abwägungsmaterials einzelfallbezogen zu prüfen und unter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse den heutigen, insbesondere durch die Klima- und Biodiversitätskrise erweiterten Anforderungen, an eine Schutzgebietskonzeption einzubeziehen.
Der Abgleich mit teilweise veralteten, unvollständigen Datengrundlagen ist völlig unzureichend.
Im Verfahren des GEP, Oberbereich Bielefeld im Jahr 2004 wurden fast die Hälfte der Anregungen der Naturschutzverbände zu BSN-Flächen in den Plan aufgenommen, dabei wurde  in 37 % aller Fälle ein Ausgleich der Meinungen in den Erörterungsterminen erzielt. Dieses belegt den hohen Stellenwert von mündlichen Erörterungsterminen – nur so geht Dialog!
Der Entscheidungskompass der die Einzelfallbetrachtung ausschließt verletzt die Mitwirkungsrechte der Verbände, Bürger und Bürgerinnen und verhindert konsensuale Lösungen. Durch seine pauschale Bewertung von Stellungnahmen verweigert er die – auch rechtlich - gebotene vertiefte Auseinandersetzung mit fundierten Stellungnahmen.
Da kann es nicht verwundern, wenn sich der ehrenamtliche Naturschutz brüskiert fühlt.

ASB-Siedlungs- und Gewerbeflächen – GIB
Mit Flächenneuausweisungen von rund 12.000 ha neuer ASB-Siedlungs- und Gewerbeflächen – GIB, forcierte der Regionalplan durch sein Konzept der Entkoppelung von Bedarf und Fläche den Flächenverbrauch. Zugleich wird die Verantwortung für eine zukunftsfähige/naturverträgliche Steuerung der Siedlungsflächen weitgehend auf die kommunale Ebene verlagert.  
Diese Flächen sind Manövriermasse für die verbindliche Bauleitplanung in den Kommunen und somit eine Blockade für notwendigen anderer Schutzausweisungen wie z.B. für ein übergreifendes Biotopverbundsystem in OWL. Sie werden auf Kosten von Freiflächen teilw. in Landschaftsschutzgebieten und Erholungsflächen für eine eventuelle Bebauung bereitgehalten.
Keinesfalls ist es ein Beitrag zum flächensparenden Bauen oder zum Klimaschutz.
Die Einhaltung des Klimaschutzes mit dem Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen hat das Bundesverfassungsgericht erst kürzlich, verfassungsrechtlich für verbindlich erklärt.
Diese setzt eine vorausschauende Planung voraus.
Hierzu ist es erforderlich Flächenausweisungen für Naturschutz und Biotopverbundsysteme vorzunehmen und Bauflächen nur im erforderlichen Maß auszuweisen.
Die Weltbiodiversitäts-Konferenz empfiehlt 30 %  der Flächen unter Schutz zu stellen. Die Forderung der Naturschutzverbände nach einer Ergänzung der BSN-Kulisse kann auch vor diesem Hintergrund nicht mit dem Verweis, dass der Planentwurf ca. 20 % BSN-Flächen umfasst, zurückgewiesen werden.
Der Regionalplan OWL sollte hier zukunftsweisend aufgestellt werden, um ausreichend Flächen für den Naturschutz und den Klimaschutz zu sichern.
Auch der Entwurf der EU-Kommission für eine Verordnung zur Wiederherstellung der Natur und das Konzept „Natürlicher Klimaschutz“ der Bundesregierung zeigen deutlich auf: Naturschutz braucht zukünftig mehr Flächen! Die müssen im Regionalplan planerisch konzipiert und gesichert werden.   
Hinsichtlich der Ausweisung von Schutzgebieten hat OWL einen enormen Nachholbedarf. In OWL haben  wir lediglich 8-10 % Naturschutzgebietsflächen.
2 % in den NSGen sollen als Wildnis der Natur  überlassen bleiben, so sieht es die nationale Biodiversitätsstrategie vor.
In Deutschland haben wir lediglich 0,6 % und in Nordrhein-Westfalen sind wir mit 0,19 % das absolute Schlusslicht der Bundesländer. Auch hierzu haben die Naturschutzverbände – bislang unberücksichtigte – Forderungen in das Verfahren eingebracht.
Dass der Entscheidungskompass für das Regionalplanverfahren die Forderungen – nicht nur der Naturschutzverbände! – nach der Berücksichtigung eines Nationalplarks Senne-Eggegebirge zurückweist, geht nicht nur naturschutzfachlich an den Interessen der Region OWL vorbei.   
Der Koalitionsvertrag der jetzigen Landesregierung beinhaltet die Vorgabe zu flächensparenden Planungen, mit dem 5 ha-Ziel wobei langfristig „Netto Null“  ha das ist Ziel sein soll.
Der vorliegende Entwurf wird dem in keiner Weise gerecht!
Die anerkannten Naturschutzverbände mit ihren insgesamt 450.000 Mitgliedern allein in NRW stellen ihren Fach- und Sachverstand ehrenamtlich ohne eigene Interessen zur Verfügung.
Dass die Anregungen zu 80-90 % missachtet werden ruft zu Recht Enttäuschung und Zorn hervor. Es geht nicht um finanzielle Einzelinteressen sondern es geht allein um den
Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen.
Dieser Stellenwert der Naturschutzverbände drückt sich auch in der Begründung für die Verbandsbeteiligung durch den Bundes- und Landesgesetzgeber aus, wenn es in den Begründungen zum Bundes- bzw. Landesnaturschutzgesetz u.a. heißt:
„Die Einholung von externen, nicht einseitig an nutzungsbezogenen, beruflichen oder anderen nicht auf die Naturschutz ausgerichteten Interessen orientierten unabhängigen Sachverstand ist … für eine effektive und effiziente Berücksichtigung von Belange des Naturschutzes erforderlich.“
„Naturschutzvereinigungen gelten als unverzichtbare Sachwalter von Naturschutzbelangen in Planungs- und Entscheidungsprozessen.“
Die 80-90 %ige, teilweise ohne Begründung durchgeführte Ablehnung der Einwendungen ist insofern völlig inakzeptabel, da sie den unstrittig gegebenen Sachverstand der Naturschutzverbände ignoriert und damit Chancen zur Verbesserung des Plans im Sinne der Allgemeinwohlinteressen nicht wahrnimmt. Ganz abgesehen von den möglichen abwägungsfehlerhaften Entscheidungen über Einwendungen.    
Wir erwarten nicht, dass der Regionalplan alle unsere Anregung Bedenken übernimmt, aber wir erwarten klare Antworten,
wie die Region die aktuellen Krisen wie Klimawandel, Artensterben und regenerative Energien bewältigen will.   
Dies sehen wir bei dem heutigen Regionalplan-Entwurf nicht und deshalb demonstrieren heute die Naturschutzverbände für die Erhaltung unserer Lebensgrundlagen.

Ullrich Richter

Vertreter der Naturschutzverbände im Regionalrat

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